project.worx #1                             SICHTBARE MUSIK Ein Musiktheater-Projekt von Studierenden der Universität Kassel

Film „Ludwig van“

Auftrag des Westdeutschen Fernsehens, Köln

Uraufführung: Wiener Festwochen, 28.05.1970, Wien (Künstlerhauskino)

Ursendung: 01.06.1970, Westdeutsches Fernsehen

Kamera: Rudolf Körösi

Drehbuch und Regie: Mauricio Kagel


Kagel widmet seinen Film „Ludwig van“ dem Komponisten Ludwig van Beethoven anlässlich seinem 200. Ehrentags. Der Film ist keineswegs ein Historiengemälde, sondern zeigt in surrealen Sequenzen und einer ständigen Überlagerung verschiedener Epochen die Wirklichkeit Beethovens getreulich auf (vgl. Klüppelholz 1981:12). In seinem Film lässt der Komponist Beethoven, nachdem er mit dem Wiener Express in Bonn ankommen ist, die Stadt erkunden, das Beethoven-Haus besichtigen und eine Rheinfahrt machen. Das Besondere an seiner Filmkonzeption ist die Idee, Beethoven nicht selbst als Person autreten, sondern ihn durch die Kamera vertreten zu lassen, das heißt, die Kamera schaut durch seine Augen und soll seinen Blickwinkel einfangen. Hierzu sind sowohl der Kameramann, als auch sein Assistent in einigen Szenen mit originalen Requisiten Beethovens ausgestattet, die für den Zuschauer sichtbar werden:

schwarze Schnallenschuhe, dunkelgraue Samthosen, hellgraue Handschuhe, zwei schwarze, mit Spitze verzierte Samtärmelschoner, ein Hut, verschiedene Hörrohre, manuskriptähnliche Notenseiten, ein Konversationsheft (zum gelegentlichen Kritzeln), Schreibzeug aus Beethovens Zeit (vgl. Klüppelholz 1981:12).

Das Musikzimmer

Das Musikzimmer wurde von Kagel selbst entworfen und zeigt einen vollständig möblierten Raum, „im Stil weder echt noch einheitlich:

1 Schreibtisch, 3 Stühle, Schreibzeug, Aschenbecher, altes Telefon, Bleistiftspitzer, echte Federn, Notenblätter und Partituren, Locher, Schablone, Lineal...“ (ebd.).

Der gesamte Raum, inklusive des Mobiliars, ist tapeziert und beklebt mit den Noten Beethovens. Es besteht keine Linearität. Die Partituren Beethovens sind wahllos, in Fetzen übereinander geklebt. Ein wahrhaftes Notenmeer entsteht. Und nach genau diesem Konzept und solchen Noten, ist zu dieser Filmsequenz die Musik gewählt. Die Musiker spielen nämlich strikt das, was die Kamera in einzelnen Augenblicken einfängt, seien es einzelne Fetzen oder längere Verläufe, welche darüberhinaus von Beethoven selbst einst für ganz andere Instrumente komponiert worden sind. Die so entstehende klangliche Kulisse wirkt dem entsprechend ungenau und unscharf – ja sogar lädiert. Kagel möchte damit die Wirren der Selbstwahrnehmung Beethovens zu dessen Lebzeiten darstellen, damit einhergehend den Verlust seines Gehörs:

  • „So klingen die Beethovenschen Klänge lädiert – genau so beschädigt, wie sie dem wiedergekommenen in den Ohren liegen müßten oder wie er sie gar dermaleinst selbst wahrnahm – wahre Vergegenwärtigung des Meisters – indem seine Musik nochmals dermaßen verstört, wie sie es nur seiner Zeit vermochte“ (Schnebel 1970:259).


Literaturnachweis:

KLÜPPELHOLZ, W. (1981): Mauricio Kagel. 1970-1980. Köln: DuMont Buchverlag.

SCHNEBEL, D. (1970): Mauricio Kagel. Musik, Theater, Film. Köln: DuMont Buchverlag